„Sucker Punch“
„Sucker Punch“ oder Style without substance
(2011) von Zack Snyder
Liest man die Rezensionen zu Snyders „Brazil“-orientiertem Film über ein Mädchen in der Psychatrie, welches seinen Ausbruch in bombastischen SF-Träumen herbeifantasiert, sind diese fast durchgängig vernichtend: Dumm, oberflächlich, sexistisch usw. usf.
Nun, dumm ist der Film zweifellos und dass er sich trotz seiner Flachheit für tiefgründig hält, macht diesen Punkt nicht gerade erträglicher. Die dem Stoff tatsächlich nicht angemessene Oberflächlichkeit macht Snyder meines Erachtens durch die perfekte Beherrschung dieser Oberfläche wett (ich sagte es schon zu „Watchmen“ – kaum einer versteht es, jede Einstellung, jede Sekunde so perfekt zu stylen, wie er) und Sexismus? … Dazu kommen wir noch.
Eines scheint zumindest mich aber vom Großteil der Kritiker zu unterscheiden: Ich hatte meinen Spaß.
Primitiven, einfachen sinnlichen Spaß. Kopf ausschalten, Augen aufreißen und sich von Luftkämpfen zwischen Flugzeug und Drache, Zeitlupengeballere mit Robotern und Grabenkriegen mit dampfbetriebenen Reichswehrzombies beschießen lassen. Kommt auf der Großleinwand gut, wird auf DVD sicher ordentlich an Wirkung verlieren.
Nun ist diese Action auf vier längere Fantasiesequenzen beschränkt, weshalb sich viele Leute dazwischen zu Tode langweilten, doch auch das kann ich nicht nachvollziehen. Da die Charakterisierung wenig tief und wenig stimmig ist, geht einem das Schicksal der Figuren zwar tatsächlich nicht wirklich ans Herz, aber diese Intermezzi schienen mir nicht so lang, als dass sie wirklich langweilten. Zudem sind auch sie immerhin ganz hübsch gestaltet, wenn auch die Schauwerte natürlich nicht mit denen der Kämpfe mithalten konnten.
Man vergleiche ihn eben nicht mit dem (dank der Vorlage) intelligenteren letzten Film des Regisseurs, sondern eher mit Sachen wie „G.I. Joe – Geheimauftrag Kobra“: Der glaubt wohl ebenfalls, eine Geschichte über Treue, Pflichterfüllung und Vaterlandliebe zu erzählen, was man aber aufgrund der Dämlichkeit ruhig ignorieren kann, um sich an den Explosionen, Superwaffen und Ninja-Moves zu erfreuen.
Apropos Schauwerte… da wären wir dann auch beim behaupteten Sexismus.
Ja, unsere Heldinnen tragen fast durchgängig knappe Reizwäsche, aber das ergibt im Kontext tatsächlich Sinn, da es zu den Traumrollen passt, in denen sie sich befinden: Eines ist ein Bordellsetting, das andere sind diese Actionszenen – und dass die moderne Actionheldin nicht nur tough, sondern auch sexy ist, dürfte allgemein anerkannt sein. Znyders Behauptung, der ganze Film sei ironisch gemeint, kaufe ich ihm auch nicht ab (dadurch sind die versuchten emotionalen Szenen zu ungebrochen), aber dass die Kämpfe von Blondinen im Matrosenkleidchen gegen sechs-Meter-Samurai mit Gatling gun tatsächlich bewusst überzogenes Zitat von Comic- und Videospielstilen ist wird kaum jemand leugnen. Nur folgerichtig, dass da auch die, den Vorbildern eigene Erotisierung der Heldin mit überzogen wurde (wobei auch hier die Kirche im Dorf bleibt und das amerikanische Rating nicht gefährdet – in erster Linie läuft alles auf Netzstrümpfe hinaus, deutlicher wird es nicht). Daraus folgen dann schließlich auch die bewusst albernen Namen der Rollen, wie Babydoll, Rocket und Blondie. Wer den Punkt als sexistisch geißelt, muss generell eine feministische Position von der Ausbeutung der Frau in den Medien einnehmen.
Nun beklagen andere schon, dass die erste Traumebene überhaupt ein Bordellsetting ist, doch das ist handlungstechnisch nun gut begründet: In der Realität mach sich ein schmieriger Pfleger an unsere Heldin heran, da ist es nicht überraschend, dass die Bedrohung auch in die Fantasie hereinwirkt. Es ist eben kein happy place, an den sich die Heldin flüchtet, sondern ein, der Realität vergleichbares Szenario, in dem sie aber handlungsmächtig ist. Wenn sich also wieder mal der schmierige und würdelose Bordellbesitzer oder der fette, schmutzige Koch an eine unserer jungen Damen heranmacht, ist das natürlich unangenehm anzusehen, soll es aber auch. Der Film ist dabei (schon durch die alberne Überzeichnung der jeweiligen Bedrängerfiguren) eindeutig auf Seiten der Opfer, anstatt voyeuristisch teilzunehmen.
Ehrlich – ich bin erstaunt, wie viele Leute, die sonst ebenfalls offen nach Nacktheit im Film verlangen, hier auf einmal ihre Prüderie entdecken.
Der Punkt des Bordellsettings ist jedoch, dass es nur die Bedrohung der Unschuld verkörpert, es aber nicht zum Vollzug kommt, wodurch es eher ein romatisches Abenteuerszenario wie die Flucht aus einem Harem ist, ergo als Fantasie einer wirklich sexuell bedrängten Heldin, die dort ihr Entkommen erträumen kann, stimmig.
Sonst als Argument für den Sexismus der Films wurde die Figur des „weisen Mannes“ herangezogen, welcher den Mädels im Schlachtengetümmel die Anweisungen gibt: Selbst in den Befreiungsfantasien, bleiben sie unter männlichem Kommando.
Auch das teile ich nicht. Denn dieser Vorwurf setzt voraus, es werde hier speziell ein Geschlechterkrieg ausgefochten. Zwar waren es tatsächlich ausschließlich Männer, die unsere Heldin in ihre Lage gebracht haben, doch kämpft sie nicht für die Sache der Frau, sondern schlicht und ergreifend für ihre persönliche Freiheit – der Weise ist dabei eine hilfreiche Vaterfigur, wie sie in den Wünschen einer vaterlosen Frau durchaus plausibel ist.
Hingegen ist der Weise ein Symptom für ein viel größeres Problem des Films: Er hat eine Ebene zuviel, als dass sein Regisseur (der eine elegante Zeitlupe wohl jederzeit einer erneuten Überarbeitung des Drehbuchs vorzieht) mit ihnen umgehen könnte. Ohne die Irrenhaus-Ebene wäre es eben die Geschichte einer Frau, die im Bordell gefangen zu fliehen fantasiert, so ist es die Geschichte einer Frau, die fantasiert zu fantasieren… was wenig Sinn ergibt. Vieles was wir sehen, so erfahren wir am Ende, waren tatsächlich die Umsetzungen realer Ereignisse, doch der Weise fällt hier aus der Rolle. Er taucht zu Anfang nirgends auf, es gibt also keinen Grund für Babydoll, ihn in ihren Träumen zu besetzen, und dass er dann (ohne Erklärung oder wirkliche Pointe) auch am Ende auftaucht ist nur eine billige „Wizard of Oz“-Nummer. Gerade das Ende ist, nach all den schönen Über-Showdowns mit absurden Monstern eine wahre Enttäuschung, denn nun möchte Snyder wohl auch Tiefgang und Inhalt statt billiger Schaueffekte bringen, doch das hat er leider nicht drauf.
Wie gesagt, es ist bestimmt kein wirklich guter Film. Wenn sie erst in der 7,99 Euro-Kiste angekommen ist, werde ich mir die DVD greifen und nur immer wieder die Traumsequenzen angucken, wie ich bei „300“ auch stets den ideologisch katastrophalen Handlungsstrang der Königin überspringe.
Auf keinen Fall ist es ein irgendwie auch nur halbwegs kluger Film, aber er war unterhaltsam, stilvoll und großformatig und in seinen Schlachtenszenen ein wahrer Spaß. Man sollte ihn nicht schlechter machen, als er ist.
(Dirk M. Jürgens)
umbrae
8. April 2011 @ 22:52
Ein wahrhaft mutiger Recke, im Kampfe gegen das Imperium des Imperium…
Gutes Review, auch wenn ich ja der Meinung bin, dass der Film, wie schon „300“, großartiges Kopfkino is’…
„Man of Steel“ oder St. Superman gegen die Wissenschaft | Weird Fiction
2. Juli 2013 @ 19:44
[…] dass Snyder nie so weit gedacht hat (denn wenn er zu denken versucht, kommt so etwas wie „Sucker Punch“ dabei heraus), aber von dem, was Superman nicht nur zu einem Kerl im Kostüm, sondern einer […]