Janne Teller: „Nichts. Was im Leben wichtig ist“
Janne Teller: „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ („Intet“, 2000)
(dt. Ausgabe/Carl Hanser Verlag) Philosophischer Jugendroman
Ein dänisches Kinderbuch über den Nihilismus? So schräg diese Prämisse klingt, so enttäuschend ist leider das Buch selbst.
Der Siebtklässler Pierre Anthon erkennt plötzlich, dass alles bedeutungslos ist und zieht sich darum in das Geäst eines Pflaumenbaums zurück, von wo aus er den Rest der Menschheit ob ihres sinnlosen Tuns verhöhnt. Seine Klassenkameraden merken, dass er recht hat, wissen aber, dass die Eltern das nicht erfahren dürfen und wollen ihn deshalb widerlegen, indem sie in einem alten Sägewerk Dinge mit Bedeutung sammeln wollen. Klingt schwach- und widersinnig? Ist es auch.
Wirklich überlegt, wirklich philosophiert oder sonst irgendwas über das Leben gesagt wird natürlich nicht, sondern stattdessen gibt es einfach eine (mit dem ursprünglichen Ziel wenig zu tun habende) Eskalation, so dass den Bedeutungsberg bald die Leiche eines verstorbenen Bruders, das Blut einer Entjungferung und der abgetrennte Kopf eines Hundes zieren (alles, nebenbei bemerkt, hölzern, leblos und uninteressant geschildert), ohne dass all das irgendwas zur Argumentation beisteuern würde. Am Ende muss es natürlich noch zu einem Toten und einer Wahnsinnigen kommen, da die Autorin wohl zwischenzeitlich glaubte, „Herr der Fliegen“ zu schreiben, aber außer, dass kurz die, in pseudointellektuellen Kreisen gern geglaubte Bedeutungslosigkeit von Geld gestreift wird (die zudem natürlich rein sachlich falsch ist, da Geld zweifellos Bedeutung hat – nämlich die als innergesellschaftlicher Machtfaktor), sagt das Buch wenig.
Man könnte anführen, dass der Roman eben den Leser selbstständig zum Denken anhalten will, aber wenn ich durch ihn zum Philosophieren komme, wäre es schön absurd, ihm meine eigenen Erkenntnisse zuzuschreiben. Zudem ist „Nichts“ wie gesagt ein Jugendbuch und ich wage zu behaupten, dass man zumindest dem jugendlichen Leser zumindest etwas hätte entgegen kommen können. Wenn Teller nur Nihilismus verbreiten wollte, wäre das ja zumindest in sich stimmig, aber unsere kindliche Erzählerin behauptet trotz allem, einen nicht ausgeführten Sinn gefunden zu haben.
Womit wir schon bei einem noch schlimmeren Punkt angelangt sind: dem handwerklichen Unvermögen der Autorin. – Der Roman ist durchgehend kalt, künstlich und fern von allem wirklich menschlichen, ignoriert oder bastelt sich schnell alles so, dass es ihm in sein simples Eskalationsmodell passt. Die pubertär gehäuften Grobheiten, vom Zerbrechen und Anpinkeln einer Jesusfigur bis hin zum Abschneiden eines Zeigefingers, wirken distanziert und unecht, ohne dass jemals der Schauder aufkommt, den solche Dinge mit sich bringen sollten. Die Figuren sind recht leere Platzhalter, deren einzige Charakterisierungen auf ein einfaches und nicht unbedingt sympathisches Menschenbild schließen lassen: wir haben einen Nationalisten, einen winselnden nichtsnutzigen Christen und einen Muslim, der von seinem Vater auf den nur 140 Seiten des Buches gleich zweimal krankenhausreif geschlagen wird. Um diese Einfalt zu übertünchen, geht Teller zudem durch lächerliche Verrenkungen sicher, dass ihr Werk auch als KUNST erkannt wird, indem sie immer wieder kurze Zeilen zerstörten Satzbaus einfügt:
„Der Sieg ist süß. Der Sieg ist. Der Sieg“
„Schlechter Moslem! Kein Moslem! Niemand!“
„Die Hilfe ist dein. Die Hilfe ist unser. Die Hilfe sind wir.“
Neben seiner Bemühtheit, beißt sich der Stil mit der Konstruktion einer kindlichen Erzählerin, die uns durch die Handlung führt. Mag sein, dass sie zum Zeitpunkt der Niederschrift einundzwanzig sein müsste, es passt einfach nicht zum Dargestellen, sondern scheint lediglich ein Signal an den Leser zu sein, sich selbstgerechtt aufzublasen, da er ja HOCHLITERATUR liest.
Der Erfolg des Buches ist demnach also kein Wunder: Kurz und einfach zu lesen, tut aber so, als wäre es sonstwie tiefgründig und intelligent. Wer es liest zeigt also nicht nur, wie klug er ist, sondern auch, für wie voll er Kinder nimmt. Ein Buch für denkfaule Feuilletonisten und Theaterschauspielerinnen mit UNESCO-Nebenjob.
Und dass es bei den Kindern selbst ankommt braucht wohl auch nicht lange begründet zu werden: Ein Buch, das mit einem kleinen Skandal begann (erst war es an dänischen Schulen verboten, ehe man es dann gleich in den Lehrplan aufnahm) und von Zwangsentjungferungen, Tiertötungen und Verstümmlungen handelt, wird immer gern genommen werden.
Während die wirklich großen, weisen Jugendbücher, wie Twains „Huckleberry Finn“ oder Michael Endes „Unendliche Geschichte“ für junge wie erwachsene Leser funktionieren, da sie universelle Aussagen haben und im besten Fall auf verschiedenen Eben und sowohl als reine Geschichte, als auch Allegorie oder Nachdenkerei erzählen, liefert „Nichts“ für jede Altersschicht passende Phrasen, um Prestige zu erschleichen.
(Dirk M. Jürgens)
Woohoohoo
19. September 2011 @ 14:02
Jo wir lesen das Buch auch gerade und es ist genau wie hier beschrieben …
Woohoohoo
17. November 2011 @ 17:49
ich habe das buch jetzt durch & es ist doch nicht so schlecht es eig. super denn es zeigt das mann die Bedeutung finden kann & mann kann auch seine eigene Bedeutung finden !!
Alsoo diese Kritik ist für mich müll
Sebastian Kempke
17. November 2011 @ 19:37
Jaha, danke für deine offene Meinung. So hat halt jeder seine eigenen Vorstellungen davon, was ein Buch bieten soll und was augenscheinlich weniger gelungen ist. Mit Verlaub und Augenzwinkern dürfen wir aber feststellen, daß deine Interpunktion und deine Rechtschreinung weit eher das Prädikat „Müll“ verdienen als die offenherzigen Ergüsse unseres hocheschätzten Autoren. ;D Weiterhin viel Erfolg!
Selina15
11. März 2012 @ 20:45
wir haben das Buch im Unterricht behandelt,und ich finde es genau so wie beschrieben kalt, leer gefühlslos… Ich schreibe jetzt eine Arbeit über das Buch.
Sebastian Kempke
11. März 2012 @ 21:48
Na, wenn es eine Schularbeit ist, dann drücken wir dir die Daumen, daß du sie gut hinter dich bringst! Hoffentlich darfst du du da auch deine persönliche Meinung einfließen lassen 😉 – Dein Team bei Weird Fiction