Dan Brown: „Illuminati“
Dan Brown: „Illuminati“ („Angels and Demons“, 2000)
(dt. Ausgabe/Weltbild) Thriller
Obwohl teils doch sehr verdächtig “strategisch” wirkend, war der Riesenbestseller “Sakrileg” ja doch ganz vergnüglich zu lesen, so dass ich mich auch an den etwas unbekannteren (aber inzwischen ja ebenfalls verfilmten) Vorgänger machte.
Ich will mein Fazit vorwegnehmen, indem ich gleich sage, dass er mir im ganzen besser gefallen hat, an seinen „Problemstellen“ jedoch noch schmerzhafter war, als sein Nachfolger. Auch er liest sich wieder spannend, Brown versteht es, eine Geschichte zu erzählen und wenn sein Held Langdon auch nicht gerade eine allzu tiefe Figur ist, ist er doch ein ganz angenehmer Begleiter auf der Reise durch den Vatikan.
Dieser wird nämlich von den Illuminaten bedroht, welche eine, aus der Schweizer Forschungseinrichtung CERN gestohlene Antimateriebombe einsetzen wollen, um die Wahl des neuen Papstes zu sabotieren und das Zentrum der katholischen Kirche zu zerstören.
Diesmal wird keiner Minderheit bis zur Peinlichkeit hin geschmeichelt, wie es „Sakrileg“ zum Bestseller macht, aber auch hier ist es wieder Browns oberstes Ziel bloß niemanden zu nahe zu treten. So ist etwa der Vertreter der Illuminati ein durchweg böser Araber (der aber nie etwas muslimisches von sich gibt), der selbst auf seiner wichtigen und gefährlichen Mission zuallererst vom Gedanken getrieben ist, wie sehr er Frauen hasst und verachtet. Warum das? Nun, ganz einfach: Durch dieses Nonplusultra an Misogynie, welches uns ständig vor Augen gehalten wird, vergessen wir völlig, dass die Kirche, gegen die unser Schurke kämpft, da ganz eigene Probleme in dieser Richtung hat. Im Buch wird es auch konsequent nie angesprochen: Was man als überkonservativ und intolerant ansehen könnte wird vom Chef der Schweizer Garde formuliert, also damit zwar einem vatikanischen Beamten, aber keinem Priester – die sind allesamt gnädig, gütig und aufgeklärt.
Etwas anders ist es bei CERN: Die Kindsköpfe und weltfremden Nerds dort hassen die aufgeschlossene Kirche mit einer Inbrunst die an Fanatismus grenzt, eine katholische Sekretärin fragt sich darum auch traurig: „Warum dieser Hass?“. Schließlich tut die Kirche nur Gutes, verlangt keine Gegenleistung und die Kinder der Frau kommen „jede Woche voller neuer Ideen au dem Religionsunterricht, wie sie anderen helfen konnten und bessere Menschen wurden.“. Irgendwie war mein Religionsunterricht anders.
Man verstehe mich nicht falsch: Auch ich empfinde viele Atheisten als überzogen, fanatisch und längst nicht mehr so objektiv und vernünftig, wie sie sich glauben. Gerade die Verbindung von Wissenschaft und Mythologie/Religion, wie sie ein, gleich zu Anfang ermordeter CERN-Mitarbeiter propagiert halte ich auch für höchst fruchtbar, aber mit solchen albern überzogenen Weltverdrehungen hilft man der Sache wenig.
Einen unappetitlichen Höhepunkt nimmt dieser Aspekt, als der Camerlengo (ein persönlicher Assistent des Papstes, der nach dessen Tod das Amt bis zur Wahl eines Nachfolgers übernimmt) eine flammende Rede gegen den Terror der Wissenschaft hält, die auf ein simples duales Weltbild ohne Zwischentöne hinausläuft, nachdem die Welt sich zwischen der Kirche (=Liebe, Vernunft, Verantwortung) und Wissenschaft (=Sozialdarwinismus, Willkür und Zynismus) entscheiden muss. Dass es auch so etwas wie Wissenschaftsethik gibt und Moral auch ohne Religion, oder zumindest ohne Kirche (da teilt der Roman nicht) möglich ist, fällt unter den Tisch. Dass wir uns noch nicht in einem Dritten Weltkrieg ausgelöscht haben, ist angeblich einzig der päpstlichen Intervention in der internationalen Politik zu verdanken und selbst die Taten der Inquisition waren – wenn auch vielleicht etwas überzogen – im Grunde nur zu unserem besten, da sie eben verhindern sollten, dass wir Dinge erschaffen, die wir nicht mehr beherrschen können.
An dieser Stelle war mir ziemlich schlecht und Brown hatte beinahe alle Sympathien verspielt, aber ich kann zu meiner Erleichterung sagen, dass jener mehrseitige Monolog im späteren Verlauf dann doch keineswegs als letzte Wahrheit, sondern eben Figurenrede gedacht ist. Denn wenn die Handlung eigentlich schon beendet scheint, die Twists bislang recht vorhersehbar waren, kommt noch eine letzte große Wende, die vieles in Frage stellt und den Roman, wenn auch nicht wirklich kirchenkritisch, zumindest wieder eindeutig aus der fundamentalistischen Ecke holt, in die er scheinbar entglitten war.
Ein unschöner Nachgeschmack bleibt dennoch, wenn es am Ende doch die jahrhundertealten Vorschriften des Vatikans (deren blinde Befolgung allen Ernstes als Gebrauch gottgegebenen Verstandes bezeichnet wird) sind, die sich als richtig erweisen und auch Langdon hilft, die Wahrheit zugunsten der Kirche zu vertuschen.
Ich merkte schon bei „Sakrileg“ an, dass er dem ungebildeten Leser wunderbar entgegen kommt, indem er jedes noch so grundlegende Wissen mitliefert, was zu seinem Verständnis nötig ist, „Illuminati“ ist da nicht anders. Meinen damaligen Spott möchte ich jedoch hier etwas zurücknehmen, da es doch zumindest im Bereich der Physik, wo ich persönlich lediglich „Star Trek“-Wissen habe, ganz nützlich wahr, während ich beim Illuminatenthema natürlich wieder überlegen grinsen konnte.
Leider ist der Kunstgriff, Flashbacks zu Langdons Vorlesungen einzubauen, um Wissen zu vermitteln noch fataler, als beim Nachfolger. Schon da schienen seine Studenten ja ziemlich kleine Lichter zu sein, hier jedoch wirken sie wie komplette Vollidioten: Was eine bibeltreue Christin, die nicht duldet, dass man von der Heiligen Schrift abweichende Meinungen vertritt bei einem Symbologie-Vortrag will, ist schon merkwürdig genug, aber dass ein Student, der nicht glauben will, dass das Christentum aus anderen Mythologien zusammengesetzt ist, ausgerechnet Gottes Darstellung als alter Mann mit Bart als originär behauptet, tut weh. Tatsächlich schießt ihm Langdon ihm dafür nicht etwa in den Kopf, um den Genpool zu säubern (wie es die zynische Wissenschaft ja gebieten würde), sondern ist offenbar höchst stolz darauf, mit einem Verweis auf Zeus zu kontern. Dafür muss man wohl studiert haben. Alle Achtung.
Zuletzt sei noch angemerkt, dass sich die Anfänge der beiden Romane auf nahezu dreiste Art ähneln: Langdon wird spät abends überraschend und unvorbereitet an einen bedeutungsvollen Ort geholt (CERN/Louvre), wo ein alter kluger Mann (Entdecker der Antimaterie/ Chefkurator) ermordet und rituell zugerichtet wurde und geht dann zusammen mit einer jungen Hinterbliebenen des Opfers (Adoptivtochter/Enkelin) auf die Jagd nach dem Mörder. Nicht gerade allzu originell. Für mich als Fan von Robert Anton Wilsons „Illuminatus!“-Trilogie wirkt das alles natürlich noch ganz besonders bieder, aber hier wäre ein Vergleich wirklich unfair, da Stil und Zielsetzung beider Werke einfach zu verschieden ist.
Das klang jetzt alles viel negativer, als es eigentlich gemeint ist, aber jene inhaltlichen Kröten muss man eben schlucken, um den ansonsten ja wirklich fesselnden und spannenden Roman genießen zu können, wozu ich weiterhin raten möchte.
(Dirk M. Jürgens)
/p
Gregor
11. Dezember 2010 @ 23:22
„und die Kinder der Frau kommen ‚jede Woche voller neuer Ideen au dem Religionsunterricht, wie sie anderen helfen konnten und bessere Menschen wurden.‘. Irgendwie war mein Religionsunterricht anders.“
Wow, das ist in der Tat selten weltfremd.
„Auch ich empfinde viele Atheisten als überzogen, fanatisch und längst nicht mehr so objektiv und vernünftig, wie sie sich glauben.“
WAAAAS! Man sollte dich vergasen!