Nick Hornby: „Slam“
Nick Hornby: „Slam“ 2008,
(dt. Ausgabe/Kiepenheuer & Witsch) Coming of Age
Von einer echten Trennung von Hoch- und Trivialkultur halte ich bekanntlich nichts, aber dennoch schmerzt es mich, dass Hornby wegen seines Humor und seiner Zugänglichkeit eher in letztere Ecke geschoben wird. Es mag überzogen klingen, aber ich halte seine lebensnahen Geschichten um so ziemlich die rundesten und realistischsten Figuren überhaupt für literarische Leistungen, die nicht genug gewürdigt werden, obwohl sie der Menschheit mehr helfen, als irgendein tausendster KrebsKriegTodundAlterseinsamkeit-Roman einer einäugigen polnischen Lesbe, wie man sie meist in dieser Hinsicht lobt. Und das sage ich, obwohl „Slam“ keineswegs in der Spitze seines Schaffens ist: „How to be Good“, „A Long Way Down“ und insbesondere „About A Boy“ bleiben weiter unerreicht, dennoch ist er wieder äußerst gelungen.
„Slam“ handelt von einem fünfzehnjährigen Skater, der versehentlich seine erste feste Freundin schwängert, was sie aber erst bemerkten, als sie sich eigentlich schon wieder getrennt haben.
Sind Hornbys Figuren sonst meist kindliche Erwachsene, haben wir diesmal einen Jugendlichen, der in eine „erwachsene Situation“ geraten ist, die ihn deutlich überfordert, mit der weder er noch die Geschwängerte zurecht kommen und in der sich praktisch alle Leute falsch verhalten und keiner sauber bei raus kommt. Teils wirklich deprimierend, da es auch am Ende auf keine Lösung hinausläuft (wie die ich-erzählende Hauptfigur sagt: zumindest bis das Kind erwachsen ist, stecken sie alle im zweiten Akt), aber dennoch komisch, sowohl was schrägen „lauten“ Humor angeht, als auch leisen Charakterhumor.
Wie üblich ohne jede Wertung schreibend, vermeidet Hornby es hier auch, eine Warnschrift für Verhütung oder ähnliches zu fabrizieren, die Entscheidung der Mutter, das Kind auszutragen zu beurteilen oder sonst etwas einzubringen, was einem irgendwie belehrend kommt (wie ja auch „A Long Way Down“ es vermied, plump vom Selbstmord abzuraten). Auch vermeidet er jegliche Romantisierung der Elternschaft, etwa dass diese auch die Beziehung kitte, auch nach Geburt ihres Sohnes kommen seine Protagonisten nicht wieder wirklich zusammen.
Ein einziger Punkt stört mich etwas, nämlich das Hornby erstmals auf fantastische Elemente zurückgreift: Sein Held pflegt mit einem Poster Tony Hawks zu sprechen, der sein privater Hausgott ist und was natürlich auch völlig in Ordnung geht, nur dreimal scheint dieser zu antworten, indem er ihn für jeweils einen Tag in die Zukunft schickt, so dass er seine Lage dort begutachten kann. Diese Zeitsprünge sind ebenfalls interessant und unterhaltsam und der Autor schafft es auch wunderbar, sie später, wenn ihre Zeit „normal“ erreicht wird, wieder einzubauen und durch das unterschiedliche Wissen zu diesem Punkt neu zu deuten, aber es stört einfach seine sonst so lebensechte Welt.
Dennoch lasse man sich von diesem klitzekleinen Haken nicht abhalten, ich zumindest möchte meine volle Empfehlung aussprechen – und das als jemand, der normal keinerlei Interesse an sozial relevanten Themen oder dem Liebesleben von Teenagern hat.
(Dirk M. Jürgens)