„Kraft durch Freunde“ von Seyfried & Ziska
Tolkemitt Verlag bei Zweitausendeins, 2010.
Da das Meisterwerk „Flucht aus Berlin“ seinerzeit ein elementarer Ansporn für mich war, selbst Comics zu zeichnen, griff ich sofort zu, als ich von einem neuen Comic des Untergrund-Altmeisters Seyfried hörte, auch wenn ich ja nach der Lektüre der Gesamtausgabe „Alle!“ (hm, die ja nun keine Gesamtausgabe mehr ist) höchst skeptisch war, was die Arbeit seiner Freundin angeht.
Der angesichts seiner Thematik pfiffig benannte „Kraft durch Freunde“ ist wieder eine Politsatire mit SF-Elementen, wie ja schon die recht gelungene Kooperation „Starship Eden“ der beiden. Es geht um den „Moon“ eine Art schwebendes Superhandy, welches seinen Besitzer begleitet, alles über ihn sammelt und mit entsprechender Werbung und Social Network-Stuff versorgt. Schurkische Politiker planen in Kooperation mit den gewissenlosen Konzernmenschen eine Totalüberwachung des Bürgers durch den Moon, das Starlet Kookie soll darum kräftig für die Verbreitung des Gerätes sorgen.
Die Grundidee ist gut und der Moon durchaus eine plausible und stimmige Idee, an der SF gibt es also wenig auszusetzen. Das Problem ist die Politsatire, die absolut platt und veraltet ist. So fürchten sich die totalitären Machthaber noch immer vor Asylanten, Atomgegnern und Anarchisten und sind natürlich allesamt Nazis – der Arm der hiesigen Schäuble-Karikatur „Schräuble-Locker“ macht den Dr. Strangelove und auch sonst sind sie so platt und peinlich böse („Wir müssen über jeden alles wissen“), dass auch der letzte dumme Leser sie stolz durchschauen kann. Zudem sind sie natürlich auch allesamt hässlich und haben wahrscheinlich die Schädelform des Rassisten – nach diesem Weltbild ist es kaum verwunderlich, dass die süße Kookie ohne Angaben von Gründen ihre Pläne zu durchkreuzen versucht.
Diese sind des weiteren kopfpatschend sinnlos: Erst kaufen sie die Wählerstimmen, indem sie im Falle ihres Wahlsieges Ein-Euro-Moons versprechen (was auch einen Sturm der Begeisterung auslöst), dann fälschen sie aber die Wahl, die sie eh gewinnen würden…halt, um unseren ach so sympathisch schrägen Linkshelden eine lückenlosere Rechtfertigung zum Kampf geben. Wie dieser gewonnen wird ist so platt und lieblos, dass man das Gefühl hat, auf einmal war das Seitenlimit erreicht und es musste schnell zuende gehen.
Man verstehe mich nicht falsch, es gibt durchaus hin und wieder gute Gags, insbesondere die, für Seyfried typischen Hintergrundsachen (so sitzen die Arbeitslosen im „Lonely Hartz Club“) und es gibt für Insider Cameos von Anarcho-Zwille und Hitolf Adler, aber der peinliche Eindruck politischer Plattheit und Gestrigkeit überdeckt das leider.
(Dirk M. Jürgens)
hans dampf
18. Oktober 2010 @ 15:14
das ewige gegrummel des kritikers – bzgl fundierter gegenwartskritik und ‚heutiger‘ politologie dann doch lieber toni negri ‚empire‘ vornehmen? ES IST EIN COMIC!!!! hihi…
Dirk M. Jürgens
11. März 2011 @ 12:05
Das Medium wurde schon richtig identifiziert, rechtfertigt aber keine humoristischen Mängel. 😉