Sam Raimi teilt aus: „DRAG ME TO HELL“ (2009)
Oder wie umschreibe ich es passender? Sam Raimi teilt aus, duckt sich weg, tritt in die Weichteile, rollt sich ab, lacht schmutzig und piekst mit beiden Fingern in die Augen. Der Spitzbube unter den Horrorfilmern ist wieder da, mit allem was Hollywood nicht geschafft hat ihm auszutreiben.
Die Fakten, wie wir sie kennen: Sam Raimi ist für die jüngeren Zuschauer mittlerweile bekannter für seine Spiderman-Popcorn-Filme als für sein eigentliches Oeuvre: Die Evil-Dead-Filme, Darkman und einige berüchtigte Fernsehserien, deren Namen ich hier wohl nicht nennen muss. Er ist der Mann, der Bruce Campbell zum Star gemacht hat und der mit den Coen-Brüdern abhing, als sie alle noch ganz klein angefangen haben – der Stoff aus dem die Träume sind. Jeder Cineast fühlt sich hier zu Hause. Gute Gesellschaft.
Zwanzig Jahre später und ich lese vor einigen Wochen die Cover-Story in der „Fangoria“ zu Sam Raimis neuem Horror(!)-Streifen „Drag me to hell“. Moment. Horror? Sam Raimi? Das ist wie einer dieser Träume aus denen man aufwacht und sich sagt „Ich wusste wie es auszusehen hat, aber das wird nie passieren – es wird kein echter Sam Raimi Film sein, es kann einfach nichts werden. Es wäre zu schön um wahr zu sein.“
Meine persönliche Meinung: Es ist wahr. Es ist passiert.
„Drag me to hell“ ist ein Sam Raimi Film, wie er typischer kaum sein könnte. Die Story, die er mit seinem Bruder Ivan zusammengeschustert hat, könnte einfacher (und zigeunerfeindlicher) nicht sein. Olle Zigeuerin kommt in die Bank und fleht junge Angestellte um Aufschub für die Enteignung ihres Hauses an – die zeigt jedoch nicht genug Einsatz und wird dafür von der geifernden Alten mit einem Zigeunerfluch belegt – ein Dämon wird sie „in die Hölle zerren“. Hokey. Was folgt sind Szenen von Besessenheit, spukige Auftritte vom Zigeunerweib und dem gehörnten Dämon, ein verfluchtes Dinner und eine Seance.
Klassische Mixtur denkt man da? Richtig – nun mixe man dazu aber eine gehörige Portion Evil Dead 2 in Form von „dem Zigeunerweib mächtig auf die Fresse schlagen“, „wilde Kameraperspektiven und knarzenden Balken“, „einer grenzlabilen Hauptfigur, die ebensoviel einsteckt wie sie austeilt“ (und die ASHs Halbschwester sein könnte), „EVIL/NON-Evil Besessenheits-Flashs“, „klappernde, lachende Teetassen“ sowie ein Schuss „rausplatzende Augen“ garniert mit Drei-Stooges-Witzen und „dämlichem Humor“ der alten Schule.
Ihr schaut so seltsam. Ja, ich weiss, ich hatte auch erwartet, daß das Ganze mehr an den ersten Teil der Evil-Dead-Filme angelehnt wäre – aber mitnichten. Es ist kein THRILLER, kein BLOSSER HORROR. Wir leben in Zeiten von SAW und No-Nonsense-Quälfilmen und da kommt plötzlich der Raimi und serviert uns „DRAG ME TO HELL“. Schmeckt wie Raimi. Ist auch Raimi. Ich muss zugeben, ich habe Bruce Campbell die ganze Zeit vermisst („My Name ist Bruce“ beweist und Gottseidank daß es ihm gut geht und er immer noch im Saft seines Könnens steht.) Aber das der Mann mit diesem Film überhaupt durchgekommen ist bei Universal Pictures… unglaublich!
Sicher – über Geschmack lässt sich streiten. Sicher, „DRAG ME TO HELL“ hätte härter sein können, aber der Film liefert bei PG-13 genausoviel ab wie andere 18er in der 80ern. Und was ist besser als ein paar popcornkauenden Teenies von einem untoten Zigeunerweib auf die Fresse geben zu lassen? Haha. Das hat Spass gemacht. Ein Film für den anspruchsvollen Gorehound. Was ist mit dem dämlichen Raimi-Humor? Hey, deswegen habe ich sogar Xena und Herkules eingeschaltet (und „Chimpules“)…
Aber ich fang schon wieder an zu reden. Geht doch mal ins Kino!
„Star Wars“ ist tot, „Indiana Jones“ wurde vor die Wand gefahren… aber Sam Raimi, den gibts immer noch und das ist auch gut so. Groovy.
Yo, she-bitch! Let’s go!
[rating:8.5/10]
#3 “Dead Snow” (2009) aus Norwegen, “Frankenstein meets the Wolfman” (1943) aus der Mottenkiste und Sam Raimi kramt aus derselben seinen kultigen “Drag me To Hell” (2009) - Weird Fiction
7. Juni 2009 @ 10:18
[…] hätte: Sam Raimi macht wieder Horror! Und wer Raimis depperten Humor mag kommt auf seine Kosten! Meine Ausführliche Besprechung gibt es hier zu lesen. Und was ich für mich draus lerne? Wenn Horror wieder Spass macht (siehe auch “Shaun of the […]
manhunter
14. Juni 2009 @ 15:17
Hab den Film ja nicht gesehen, aber überreagiert die Zigeunerin nicht ein bisschen? „Du kündigst mir den Kredit, ich schick dir einen Höllendämon auf den Hals.“ Bei „Thinner“ musste der Protagonist wenigstens noch jemanden totfahren.
Trotzdem, die mehrheitlich positiven Kritiken versprechen Gutes.
Sebastian Kempke
15. Juni 2009 @ 17:46
Im Prinzip hast du Recht – aber innerhalb der Sam Raimi Welt scheint Überreaktion wohl ein kosmisches Prinzip zu sein. 🙂
Chris Schroeder
17. Juli 2009 @ 10:37
Da muss ich auf Eure wunderbare Seite gehen, um von DRAG ME TO HELL zu erfahren!
Vielen Dank dafür!!! :-)))
Nachdem ich mir vor zwei Wochen nach Jahren noch einmal BRAINDEAD in der Blood-Version reingezogen habe, bin ich in genau der Stimmung, die Sebastian beschrieben hat: Das kann doch nicht stimmen! Oder etwa doch? Hurraaa!!! Mann, freu ich mich auf diesen Film!
Dirk M. Jürgens
18. Juli 2009 @ 13:18
Seit gestern Abend kann auch ich mich dem Review anschließen: Man vergesse den beschissenen Trailer, der versucht, jede Spur von Ekel und Humor zu tilgen, um es als schlichten Frauengrusler zu verkaufen und mache sich gefasst auf eine volle Ladung AUFS MAUL, wie man es wirklich seit dem zweiten „Tanz der Teufel“ nicht gesehen hat.
Keine Scheu vor extremen (und teils arg an den Haaren herbei gezogenem) Ekel, klischeehafter, grenzrassistischer Darstellung oder eben auch grobem Humor. Es kümmert den Film einfach nicht, ob man über einen drastischen Effekt lacht, sich erschreckt oder angeekelt ist – Hauptsache, man reagiert…und das tut man!
Hätte ich wirklich nicht gedacht, aber das ist eine kleine Perle.