„Watchmen“
„Watchmen“ oder Großartigkeit trotz Unverständnisses
(2009) von Zack Snyder
Ich war positiv überrascht von seinem „Dawn of the Dead“-Remake, entsetzt über die nachteiligen Änderungen an „300“, die den Film ein ganzes Stück nach rechts rückten, doch immer begeistert vom gekonnten Stil Zack Snyders.
Als ich hörte, dass er den vielleicht großartigsten und komplexesten Comic aller Zeiten umsetzen würde, hatte ich darum erst mal ein ungutes Gefühl. Sicher würde er die Actionszenen perfekt umsetzen, doch würde der oberflächliche Ex-Werbefilmer die Ambivalenz und Vielfalt eines Werkes umsetzen können, welches gemeinhin für unverfilmbar gehalten wird?
Nun, ich wage zu sagen, er konnte.
Es wurden Kürzungen und es wurden Änderungen vorgenommen, doch der Kern der Geschichte, ihre alternative Geschichtsschreibung und vor allem das große, unlösbare moralische Dilemma, auf das sie hinausläuft, sind intakt geblieben.
Stilistisch kommt dem Film wie schon „300§ Snyders Werbehintergrund zugute, da er es dort gelernt hat, einzelnen Momenten Kraft zu geben, was er hier über lange Strecken durchhält und damit eine Dichte erzeugt, von der viele Filme nur träumen können. Diese Liebe zum schönen Stil ist aber auch das größte Problem des Films: Wenn die Helden, um deren Dekonstruktion es eigentlich geht in Kämpfe verwickelt werden, inszeniert er sie mit aller Macht, Größe und Brutalität, die er nur erreichen kann. Dabei verliert er aus den Augen, dass „Watchmen“ eigentlich von der Menschlichkeit und eben nicht Übermenschlichkeit seiner Helden handelt. Der knüppelharte Gewaltgrad wirkt auch nicht nur der Geschichte unangemessen, sondern zeigt auch ein erschreckendes Desinteresse an den Charakteren: Denn wie sollen wir Nite Owl und Silk Spectre ihr Befremden über Rorschachs Gewalttätigkeit abnehmen, wenn wir sie gerade erst lustvoll offene Knochenbrüche prügeln und Messer in Kehlen rammen gesehen haben?
Gerade die Teasersequenz – die berühmte Todesszene des Comedian – geht viel zu lang und ist viel zu dick aufgetragen, mit Schlägen und Verletzungen, die eigentlich tödlich sein müssten. Sie zeigt also gerade NICHT den Kurs des kommenden Films an, sondern erweckt den Eindruck von Übergröße, der bis auf den Fall von Dr. Manhatten ja gerade unangebracht ist. – Diese erste negative Einschätzung wurde aber sogleich von dem brillanten Vorspann beiseite gewischt, welcher mich alle Skepsis vergessen ließ: Zu den Klängen von Bob Dylans „The Times are a-changin’“ sehen wir in starken, aussagekräftigen Szenen und ohne Scheu vor kindischen Golden Age-Kostümen, wie sich das „Watchmen“-Universum anders als das unsere Entwickelt hat. Zumeist werden dabei bekannte historische Szenen (die geküsste Krankenschwester bei Kriegsende, der erste Mann auf dem Mond, der Kennedy-Mord) genommen und um die Superhelden bereichert. Von der anfänglichen Kuriosität der bunten Gestalten kommen wir dabei bald in die düstere Gegenwart, in der Heldenleben gewaltsam enden oder gar korrumpiert werden, bis schließlich zu der Leitfrage, wer denn die Wächter überwacht.
Diese lange Szene gehört zum eindrucksvollsten, was ich je im Film sah. Allein wegen ihr musste ich mir schon die DVD zulegen.
Es sei jedoch gleich bei diesem Thema festgehalten, dass der immer wieder auftretende Richard Nixon durch sein überzogenes Make up einfach nur eine peinliche Muppets-Gestalt ist, die dem ernsthaften Ton des Films erheblich schadet. Zum Glück ist seine Rolle nur klein.
Inwiefern das Ende verändert worden war hatte ich schon im Vorfeld gehört und daran gezweifelt, ob es dramaturgisch plausibel gemacht werden könnte, doch auch hier sorgte ich umsonst. So ungern ich als Alan Moore-Fan es zugeben mag, muss ich tatsächlich eingestehen, dass ich es für besser, als das der Vorlage halte. – Jenes hatte natürlich seinen eigenen Sinn und war eine konsequente Weiterführung des Konzeptes (Stichwort Comiclogik, Comicschurkentum), ließ mich jedoch auch da schon leicht die Augenbrauen krümmen (ohne der Begeisterung Abbruch zu tun) und hätte in einem Film wahrscheinlich albern gewirkt. In diesem Fall sollten die beiden Medien wohl unterschiedlich behandelt werden.
Mögen also auch der stilistische Bombast in den Kampfszenen und der unangebrachte Splatter darauf hindeuten, dass Snyder seinen Film nicht allzu weit durchdacht hat, hat er trotzdem den Sinn der Vorlage größtenteils erhalten und einen, für den Zuschauer mit falschen Erwartungen wohl etwas sperrigen, aber eindrucksvollen und tiefgründigen Superheldenfilm geschaffen, der durchaus neben seiner Vorlage bestehen kann.
(Dirk M. Jürgens)
#1 Frohe Ostern! - Weird Fiction
11. April 2009 @ 15:25
[…] 60er, 70er und 80er – und Rorschach ist meine Filmfigur des Jahres… schwer zu übertreffen! (Dirks Review dazu gibt es hier!) Dann kam vor einigen Tagen ein Bekannter (Rorschach nicht ganz unähnlich) und zwang mich, die […]