„The Life Eaters“ von David Brin & Scott Hampton
Amerikanische Originalausgabe von WildStorm/DC, 2003.
In einer Alternativwelt wurden die Alliierten im Zweiten Weltkrieg vernichtend geschlagen, als beim Sturm auf die Normandie plötzlich der Donnergott Thor auftauchte und die komplette amerikanische Flotte zerstörte.
Durch Millionen von Menschenopfern in den Konzentrationslagern (die Rassengeschichte war lediglich eine Tarnung) ist es den Nazis gelungen, die alten germanischen Götter zu beschwören, damit diese ihnen im Krieg beistehen. Nicht mehr Berlin, sondern ein neues Asgard ist der Mittelpunkt des Reiches und Hitler (zum Beginn der Handlung in den 60er Jahren eh nur noch ein altersschwachsinniges Wrack) nur noch die Nummer 2, da jetzt Odin herrscht. Während andere Religionen mitzogen und die deutsch-asischen Truppen mittels ihrer Götter (durch ebenso viele Tote beschworen) zurückzudrängen versuchen, haben sich die drei abrahamanischen Religionen, denen dieser Weg versperrt ist, da ihnen Menschenopfer ja verboten sind, auf High Tech-Waffen verlagert.
Unser Held, ein Mundschenk Odins, der heimlich für den Widerstand arbeitet bemerkt mit der Zeit, dass die Menschheit in jedem Fall der Verlierer im Krieg ihrer Götter sein wird.
“The Life Eaters“ ist eine gelungene Mischung aus SF und Fantasy (so wird auch mal die Theorie angemerkt, dass die Götter vielleicht in Wahrheit Aliens sind, die sich nach den irdischen Mythen verkleiden, um so ihre Invasion vom Menschen selbst erledigen zu lassen), die comictypische Superheldenthemen anstößt, jedoch – wie der Autor im Nachwort noch einmal ausdrücklich erklärt – vom Menschen handelt.
Gezeichnet ist die Geschichte in einem zurückhaltenden, meist realistischen Gemäldestil der es schafft, die Götter durchgängig als überlegen und groß zu präsentieren, ohne sie zu Karikaturen verkommen zu lassen.
Man mag es für feige halten, dass die hiesigen monotheistischen Religionen in der Geschichte die saubersten Hände behalten, aber bei längerem Nachdenken ist es zumindest in sich stimmig und wird auch dadurch relativiert, dass auch sie nicht die Hoffnungsträger sind. Nicht Götter, nicht der Eine Gott, nicht der Übermensch nicht die Superhelden sind es: Das Schicksal der Menschheit liegt in den Händen des Menschen.
Denn gerade in unserer Zeit, in der Religionskriege ein aktuelles Thema sind, fällt auf, wie der Comic allegorisch zu lesen ist: Der Mensch vertraut sich Göttern an, die ihn jedoch gering schätzen und die ihm den Untergang bringen werden, wenn er sich nicht emanzipiert und seine Schlachten selbst schlägt.
Auch wenn es sich weniger kämpferisch und philosophisch gibt, steht Brins Werk also in eine Reihe mit den Ideen Nietzsches oder Wagners „Götterdämmerung“ stellen, welche das Ende des Zeitalters der Götter verkünden und die Zeit der Menschen ausrufen. Gleichzeitig streift es auch den von Alan Moore seinerzeit mit „Watchmen“ losgetretenen Trend der Superheldendekonstruktion, mit welcher das Medium Comic seine erfolgreichste Kreation nun schon länger hinterfragt.
Dies alles geschieht aber nicht aufdringlich und belehrend, sondern unauffällig am Rande, ohne den Handlungsfluss zu unterbrechen, da die Graphic Novel auf ihrer Oberfläche natürlich Spektakel um Götter, Halbgötter und Helden abfeuert und so auch ohne diese Überlegungen einfach als Actioncomic gelesen werden kann.
Ich habe die englischsprachige Originalausgabe gelesen, doch rate ich blind auch zur deutschen Ausgabe, welche Mai 2009 bei CrossCult erscheint. Trotz der Thematik gibt es keine, für den hiesigen Leser amüsanten Germanismen und in Sachen Ausstattung und technische Qualität dürfte der auf Sammler abzielende „Hellboy“-Verlag wohl jenseits allen Zweifels stehen.
(Dirk M. Jürgens)
Sebastian Kempke
17. März 2009 @ 18:45
Klingt ja wirklich gut! Das möchte ich gern mal lesen. Ich mag die leicht geröteten Nasen bei Scott Hampton immer so gerne. ^_^ (Als überflüssige Randnotiz)