Neue Horizonte: DCs dunkle Filmserie „DC Universe“
Mit „Superman: Doomsday“, „Justice League: The new Frontier“ und „Batman: Gotham Knight“ werden nun erstmals postmoderne Storylines der Comicserien orginalgetreu verfilmt… als Direct-to-DVD Features von den Produzenten der TV-Serien „Batman: The Animated Series“ und „Justice League“. Ein Rückblick und Ausblick von Sebastian Kempke.
Wir erinnern uns: Im TV-Programm der Neunziger Jahre hatte sich Batman wacker geschlagen, mit einer eigenen Animationsserie, die im inspirativen Kielwasser der Tim Burton Filme „Batman“ und „Batman Returns“ eine finstre, authentische Version des Dunklen Ritters auf die Mattscheibe zeichnete. Gotham City, das Arkham Asylum und eine angemessen ernsthafte Interpretation der übelsten Schurken Gothams hatten es endlich in unsere Wohnzimmer geschafft – und in die Videoregale der Comicfans, die befriedigt feststelleten, daß es da jemanden gab, der den Batman anständig und respektvoll zu neuem Ruhm im Fernsehen verhalf (das Medium, das das Batsymbol dreissig Jahre zuvor zu einer skurillen Lachnummer gemacht hatte.) Die Rede ist von „Batman – the animated series“, einer der wegweisenden Animationsserien der Neunziger Jahre. Einer der großen Männer hinter der Serie ist im Comicgeschäft mittlerweile ebenso bekannt wie sein Zeichenstil: Bruce Timm.
Nachdem „Batman: TAS“ mit großem Zuspruch von Fans und Kritikern (die Serie wurde zweifach mit dem begehrten Emmy Award ausgezeichnet) die Fackel an die Nachfolger „The New Batman Adventures“ und „Batman Beyond“ abgegeben hatte – beide Serien wurden wieder massgeblich von Timm gestaltet – folgten weitere Serien: „Superman: TAS“, „Justice League“ und „Justice League: unlimited“. Das komplexe Universum, das die Gesamtheit der Serien bildet, trägt bei den Comicfans mittlerweile den bezeichnenden Namen „Timmverse“ und gilt als eine legitime Interpretation des DC-Universums.
Allderweil hatte der Superheldenhype Anfang des neuen Jahrtausends die Kinocharts fest in seiner Hand und obwohl einige großartige Comicverfilmungen mit Qualität überraschen wird der Kinogang für Comicfans zur Zitterpartie: Da wird bald wieder simplifiziert und reduziert und bis auf den einen oder anderen Glücksfall schrumpfen die Mainstreamhelden von Marvel und DC wieder zu kostümierten Nummernrevuen. Figuren werden als Franchisen gehandelt denn als Persönlichkeiten und Comicfans und -macher bleiben meist eine statistische Fussnote in den Zielgruppenrechnungen der Studiobosse. Und wieder wird die unheimliche Diskrepanz zwischen Originalstoff und Kinoadaption schmerzlich spürbar: Ang Lee’s „Hulk“, „Daredevil“ und „Elektra“ sind unverzeihliche Fehltritte auf der Marvel-Front, wohingegen „Superman Returns“ einmal wieder Supies Seifenoperqualitäten und die Romanzen mit Lois Lane in den Vordergrund rückt – wenig einfallsreich nach „Die Abenteuer von Lois und Clark“ und „Smallville“. Wer hatte nicht auf die angekündigte „The Death and Return of Superman“ Verfilmung gehofft, von der es Ende der Neunziger hiess, Tim Burton wäre am Ball und hatte Nicholas Cage auf der Besetzungsliste: Als Superman mit langen Haaren (Cages „Con Air“ lief gerade an), ganz wie in der Originalstoryline. Natürlich kam das nie zustande – und zehn Jahre später setzte Nicholas Cage als missglückter „Ghost Rider“ seine kurze Comic-Karriere (bei den Fans) in den sprichwörtlichen Sand.
Auch im „Timmverse“ hatte es einige abendfüllende Ausflüge in die Welt der Helden gegeben, besonders bemerkenswert unter anderem „Batman: Mask of the Phantasm“ (1993), „Mystery of the Batwoman“ (2003) und „Batman Beyond: Return of the Joker“. Allen Filmen gemeinsam ist der dramatische Schwerpunkt. Charakterentwicklung und Motivation der dunklen Ritter von Gotham verleiht den Animationsfilmen Tiefe ohne dabei in die übliche Realfilm-Exposition zu verfallen. Erste Teile neuer Realfilm-Reihen ertrinken geradezu in Exposition und die tränenreiche Dursstrecke bis wir unsere Helden das erste Mal im Kostüm durch Halbdunkel streifen sehen dürfen, erweist sich ab und zu als unzumutbar lang. Diese Hürde nehmen Bruce Timm und seine Kollegen (u.a. Paul Dini, der als Autor mit Bruce Timm den Eisner-Award für ihren Comic „Mad Love“ erhielt) mit Leichtigkeit: Ein Selbstverständnis wohnt ihren Erzählungen inne, um die die Realfilmer immer wieder kämpfen müssen, oder es zumindest glauben zu müssen – oder die sie nie erreichen.
Nun, auf dem Höhepunkt des Y2K-Superhero-Revivals, ist eine neue Runde eingeläutet worden – und für DC stehen wieder einmal Bruce Timm und Kollegen im Ring. Die Entwicklungen auf dem Videomarkt haben mittlerweile die Situation der Animationsfilmer verändert: Animationsserien, die aus senderpolitischen Gründen abgesetzt wurden, weichen auf den Direct-to-DVD-Markt aus, der ihnen neue Freiheiten ermöglicht – und ein erwachseneres Programm für eine spezifischere Zielgruppe denn eine namenlose Quotenmasse. Die Macher von „Futurama“ gingen mit ihrem neuen Film „Bender’s Big Score“ (2007) eben diesen Weg. Warner Premiere, die Direct-to-Video-Tochter des Warner Brothers Konzerns, und DC-Comics folgen nach: Gemeinsam produzieren sie unter dem Label „DC Universe“ abendfüllende Adaptionen von orginal DC-Storylines. Den Anfang machte im Herbst 2007 „Superman: Doomsday“, eine Adaption der legendären „Death and Return of Superman“ Story. Superman, hier sichtlich älter als seine „Timmverse“-Version, tritt gegen die ausserirdische Kampfmaschine Doomsday an, die in einem Metoriten auf die Erde schlug und Metropolis zu zerstören droht. Weit mehr als je eine „Timmverse“-Story wird Gewalt zu einem selbstversändlichen Faktor. Wie im Comic erzeugt die Story eine tödliche Spannung, da Leben in einem Kampf von diesen Ausmassen zu einem zerbrechlichen Gut wird. Obwohl natürlich an der Komplexität Abstriche gemacht werden mussten ( Teile des Plots sowie eine große Zahl an Charakteren wurden aus dem Film gestrichen), repräsentiert „Superman: Doomsday“ die Vorlage aufs Respektabelste.
Die zentralen Figuren Superman, Lois, Lex Luthor und Doomsday funktionieren selbstverständlich – das heisst ohne Exposition, und ohne Seifenoper – und genau das hat „DC Universe“ seinen Realfilm-Gegenparts voraus.
Das zweite Feature der „DC Universe“ Reihe erreichte im Februar 2008 die DVD-Player der Vereinigten Staaten: „Justice League: the new frontier“ erzählt, wie der gleichnamige Comic, eine alternative Entstehungsgeschichte der Gerechtigkeitsliga. Kurz: Eine unheimliche Macht namens „The Centre“ plant, die Menschheit zu vernichten und nur eine vereinigte Organisation von Helden wird es mit der Bedrohung aufnehmen können. Während der McCarthy-Era zerbrechen jedoch die Bande zwischen den Helden. Während Wonder Woman in Südostasien eine Gruppe kriegsgefangener Frauen dazu animiert, ihre Peiniger hinzurichten, wird der Rote Blitz in Central City allein wegen der Farbe seines Kostüms als Kommunist verschrien. Hal Jordan sieht sich in Korea dazu gezwungen einen gegnerischen Soldaten, der das Ende des Krieges offenbar verpasst hat, aus Notwehr mit einem Kopfschuss zu töten – erst die Begegnung mit der Grünen Laterne Abin Sur kann seinem Leben einen neuen Sinn geben. J’onn J’onnz, auch bekannt als der Kopfgeldjäger vom Mars, trifft bei seinen Forschungen über The Centre auf den Batman, der mit seinem finstren Ego und dem schlechten Bild in der Presse zu kämpfen hat. Eine Welt voller latenter Unruhe und Bedrohung, voller Zwietracht und politischer Propaganda hat scheinbar keinen Platz für Superhelden, die sich keinem Lager zuordnen wollen – und doch brechen sie in ein neues Zeitalter auf: Unter Präsident Kennedy als die Gerechtigkeitsliga. Eine Botschaft, die in unserer Zeit große Bedeutung hat – die Parallelen zum aktuellen Weltgeschehen sind überdeutlich. Und so schafft dieser bewegende Film eine ganze Menge: eine großartige Handlung, eine ganze Gruppe legendärer Helden und eine tiefgreifende Botschaft. Nach „Superman: Doomsday“ ein weiterer Quantensprung.
Notiz am Rande: Mittlerweile versucht sich auch Marvel Comics an Dicect-to-DVD-Filmen (z.B. mit „Ironman“, „Doctor Strange“ und den „Ultimate Avengers“) allerdings mit weit weniger postivem Zuspruch von Fans und Kritikern.
In Kürze wird das neueste Werk der „DC Universe“ Reihe zu sehen sein: „Batman: Gotham Knight“, eine Sammlung von sechs Batman Kurzfilmen , die als Kollaboration zwischen DC-Autoren und japanischen Animationsstudios/ -regisseuren entstanden sind. Die Kombination aus echten Batman-Stories und ausgefeilten japanischen Animationen wirkt beinahe organisch: Japanische Animes sind seit jeher bester Nährboden für abgründe Stories und tiefschürfende Dramatik. Die Synthese zweier pop-kultureller Hauptströmungen, nämlich des US-Comics und dem japanischen Animationsfilm ist geschichtsträchtig. Was bei „Animatrix“ und „Kill Bill“ noch als „Feedback“ aus dem Inspirationsland Japan wirkte, wird hier zur „Hochzeit“ zweier Kulturen. Natürlich sind die Batman-Macher seit jeher große Fans japanischer Animation und Mangas, schliesslich ist das Geschichtenerzählen im Medium Film und Comic ja eine grenzenlose und kulturübergreifende Angelegenheit. Aber oft wollen uns die großen Studios nicht über den Tellerrand blicken lassen. Auch hier spielt Absatz eine große Rolle. Glücklicherweise haben wir ja Menschen wie Bruce Timm und seine Kollegen bei „DC Universe“. Und im „Timmverse“ scheint es wieder wie selbstverständlich, daß DC-Comics und Animationsfilm ganz friedlich verschmelzen.
(Sebastian Kempke)
Bruce Timm
Bruce Timm, Jahrgang 1961, ist Autodidakt. Er besuchte keine Kunsthochschule sondern lernte das Zeichnen selbständig – zu seinen großen Vorbildern gehörten Jack Kirby, Jim Steranko und Wally Wood. Zu Beginn seiner Karriere als Animationsdesigner arbeitete er für Filmation (bekannt durch „He-Man and the Masters of the Universe“ und „Marshall Bravestarr“) und Bakshi Studios. Ende der Achtziger Jahre begann er mit „Tiny Toon Adventures“ seine bis heute andauernde Karriere bei Warner Brothers.
Timms Zeichenstil ist deutlich an das Art-Deco-Flair der 50er Jahre angelehnt. Auch die Superman Cartoons der 40er Jahre haben sicher den Stil des „Timmverse“ geprägt. Bruce Timm ist bei Fans bekannt für seine pikanten Cartoon-Akt-Zeichnungen u.a . für Vampirella und die Gotham Girls.
Links zum Thema:
– offizielle Seite der „DC Universe“ Reihe
– Bruce Timm Gallery