“300″ (2006) von Zack Snyder
Sparen wir uns hier all die Diskussionen dazu, ob der künstliche Look des Films funktioniert oder es zuviel halbnackte Kerle darin gab (ich mochte ersteres, störte mich nicht an letzterem, sehe aber beides als Geschmackssache), sondern kommen gleich zum lustigen Teil, nämlich den, bei dem man sich gegenseitig als Nazi bezeichnen kann – der Ideologiekritik.
Sich an der Riefenstahl-Optik hochzuziehen halte ich dabei für ein schwaches Argument, da ich sie an und für sich schätze und für wertfrei halte. Ja, faschistische Künstler setzen sie gern ein, da sie zu ihren Inhalten passt, aber andersherum wird kein Schuh daraus, sie kann durchaus auch für nicht-faschistische Stoffe verwendet werden. Es hat sich nur zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung entwickelt, dass nur Künstler sie zu benutzen wagen, die eh schon dem Verdacht des Faschismus unterworfen sind.
Dies vorausgestellt muss ich aber sagen, dass die Vorwürfe im vorliegenden Fall leider durchaus berechtigt sind. So sehr ich seinen archaisch-überzeichneten Stil, die bis ins letzte Detail ausgefuchste Optik des Werbefilmers Snyder und die videospielhaften Blutexzesse persönlich als Unterhaltung auch genießen kann, so unerfreulich waren doch die vermittelten Inhalte.
Es würde jetzt zu weit führen, die Comicvorlage weiter zu besprechen, doch obwohl Frank Miller mit Sicherheit nicht gerade jemand ist, mit dem man Politik diskutieren möchte, scheinen mir die wirklichen Probleme erst in der Verfilmung hinzugefügt worden zu sein. Denn trotz all seiner Kriegerromantik und großen Reden, enthält sein Werk doch relativ wenig, als objektiv gesetzte Wertungen und zeigt seinen Leonidas durchaus zwiespältig. Erst bei Snyder wird er glatt gebügelt und mitsamt seinen Fragwürdigkeiten zum echten und vollständigen Helden erklärt.
Antwortet er im Comic auf den begeisterten Ruf, man werde ihm bis in den Tod folgen mit einem missgelaunten „Das war keine Bitte von mir. Die Demokratie überlassen wir schön den Athenern“ und zeigt damit, dass es ihm hier mitnichten wirklich um Freiheit und Gerechtigkeit, sondern seinen Stolz geht, so antwortet er im Film nur mit einem anerkennenden Nicken.
Ephialtes, der Bucklige, der die Spartaner verrät ist bei Miller eine bemitleidenswerte Kreatur, die nur nach Anerkennung sucht (welche ihr der an Vielfalt interessierte Xerxes, anders als die auf Gleichförmigkeit ausgerichteten Spartaner gewährt) und ein Blutbad verhindern will. Bei Snyder ist er einfach nur noch ein verführbarer Judas, der die Pracht der Perser, der Aufrichtigkeit Spartas vorzieht. Sein Selbstmordversuch, dessen Misslingen er für ein Zeichen der Götter hält, die Seiten zu wechseln wurde zwar gedreht, schaffte es jedoch nicht in den fertigen Film. Diese Innenperspektive, die Tragik und die Umstände, die zum Verrat führten, waren Snyder nicht so wichtig wie das Tempo des Films. So gering das Interesse des Regisseurs an seinen Figuren, so groß die Bereitschaft, dem Sozialdarwinismus der Spartaner das letzte Wort zu lassen – denn hätten sie Ephialtes, wie alle anderen kranken oder schwachen Kinder nach der Geburt getötet, hätten sie gesiegt.
Bleibt Miller stets bei seinen Figuren im Feld, so macht der Film noch eine Heimatfront auf, an der Leonidas’ Gattin mit korrupten, feigen und demokratisch legitimierten Politikern zu kämpfen hat. Wenn sie schließlich einen von ihnen ersticht (royale Diktatur ist eben besser als die Demokratie, die ihr Mann zu verteidigen vorgibt) fallen aus seinen Taschen Münzen mit dem Antlitz Xerxes’. Nahezu eine Symbolszene die uns zeigt, was der einzige Grund sein kann, gegen einen Krieg zu sein und zudem, wie mit solchen Verrätern umzugehen ist. Die Monarchin tötet den gewählten Politiker – für die Demokratie.
Die Grausamkeiten und Rücksichtslosigkeit innerhalb der Spartaner, welche man hier fleißig und wenig plausibel als reine Vertreter der Demokratie inszeniert, reduziert man möglichst unauffällig auf einen Prolog reduziert und verfällt dann in normales Kameradschaftsgetue. Statt im Anfang zu betonen, dass jeder spartanische Junge den dort gezeigten Martern ausgesetzt wird, macht man sie explizit zur Jugendgeschichte Leonidas’, dessen prächtige Entwicklung sie damit rechtfertigt.
Viele Verteidiger des Films berufen sich darauf, dass er ja vollständig von einem subjektiven Erzähler geschildert wird, seine ganze Erzählung damit also keine Objektivität beansprucht. Doch wenn der Film nicht die Position seines Erzählers vertritt bleibt die Frage, warum er diese dem Betrachter dann (mit erwähnten Änderungen von der Vorlage) so schmackhaft machen will. Der Comic erzählt eine Geschichte aus heroischer Vergangenheit, mit anderen Regeln und Idealen, die uns zum Teil befremden und abstoßen müssten, der Film ebnet diese Unterschiede ein und schönt Sparta für unser Selbstverständnis.
Ich unterstelle Snyder hier keine Absicht, sondern nehme an, dass es ihm bloß um die schöne Oberfläche (auf der man den Helden eben mögen sollte) geht, er also kein Faschist, sondern einfach nur ein handwerklich begabter Simpel ohne Interesse am Hinterfragen ist.
Die Vorwürfe, „300“ sei gezielte Propaganda für den Irak- und einen eventuellen Irankrieg (wegen seiner bösen Perser und der Betonung der Demokratie ihrer Gegner) halte ich auf der anderen Seite jedoch für ebenso überzogen, da man die Metapher ebenso gut umdrehen kann: Supermacht gibt sich freundlich, nachdem sie alle anderen Staaten unterworfen hat, doch ein tapferes Volk ohne Todesfurcht stellt sich ihm entgegen.
Es sind also keine spezifischen politischen, sondern allgemeine Werte, die der Film vertritt – nur sind dies leider eben unmenschliche Werte.
(Dirk M. Jürgens)
„Man of Steel“ oder St. Superman gegen die Wissenschaft | Weird Fiction
2. Juli 2013 @ 19:28
[…] und vierte Reeves-Superman-Film, aber ideologisch vollkommen ungenießbar. Ich kann mir wie bei „300“ vorstellen, dass Snyder nie so weit gedacht hat (denn wenn er zu denken versucht, kommt so etwas […]