„Satanika“ von Glenn Danzig und Duke Mighten
(dt. Extrem Erfolgreich Enterprises, 3 Ausgaben, 1999) Horror
Zuerst gestehe ich, nie Misfits oder Danzig gehört zu haben, also relativ vorurteilsfrei an das Werk des Musikers und Autoren Glenn Danzig herangehen zu können. Ich wusste, er hat einen eigenen Comicverlag namens „Verotik“ und wie der Name schon suggeriert, geht es in dessen Publikationen um Eros und Thanatos in extremerer Form; die deutsche Veröffentlichung bei EEE, dem Verlag des „Ärzte“-Drummers Bela B. passt auch ins Bild.
Nun gut, ich bin diesbezüglich aufgeschlossen, mag okkulte Elemente und davon abgesehen ließ mich der schlockige Name der Heldin gleich schmunzeln – Variationen wie Satanabelle, Satandrea und Satanegreth bieten sich an.
Tja, doch dieses Schmunzeln erstarb recht bald, da es in diesem Comic absolut unironisch, um nicht zu sagen bierernst zugeht. Worum es geht? So richtig klar ist mir das nicht geworden: Der Dreiteiler (Auftakt zu einer längeren Serie, die bereits ein Spin off namens „Igrat“ erhalten hat) schildert uns nur, wie unsere dämonische Heldin durch die Gegend taumelt, verschiedene Menschen, Tiere und Dämonen möglichst blutig umbringt und schließlich von einer anderen Dämonin (besagter Igrat) vom Himmel geholt wird. Ich habe ja nun wirklich nichts gegen einen Anfang in medias res, aber in einer dreiteiligen Mini-Serie wäre es doch nun wirklich nicht zuviel verlangt, wenn sich zumindest mal ein Fetzen von Handlung zeigen würde. Hier Fehlanzeige.
Satanika weiß selbst nicht wer sie ist und wir erfahren nur, dass der Teufel (hier lila und auf den eher unbeeindruckenden Namen „Dalkiel“ hörend) seine Diener hinter ihr herschickt. Die Hauptfigur, die lediglich auf allerlei Angriffe reagieren, aber keine Persönlichkeit zeigen kann, bleibt dabei so blass wie nur irgendwas; eventuell hat man sich ganz auf die Wirkung ihres Äußeren verlassen.
Das ist nie eine gute Idee, hier jedoch besonders fatal, denn das Design Satanikas kann nicht anders als lächerlich und eher unästhetisch bezeichnet werden – zwar sind ihre Bocksbeine eine gute Idee, aber dass sie ausgerechnet mit ihren, dafür zu krallenbesetzten Flügeln mutierenden Ohren zum Kämpfen und Fliegen benutzt wäre im entsprechenden Kontext ein guter Gag, aber um Gags geht es hier wie gesagt nicht.
Wir sind ja ernst, anspruchsvoll und erwachsen. Dass der ebenfalls flügelohrige Mangaheld „Devilman“ in den Staaten ebenfalls bei Verotik herausgebracht wird, macht den Punkt auch nicht unbedingt besser.
Zu allem Überfluss ist unsere Dämonin ständig (!) vollkommen (!) nackt und so mit Muskeln bepackt, dass sie in der ersten Reihe der Verdächtigen stünde, bräche jemals eine Anabolikakrise aus. Obwohl „Vampirella“-Leser, nervte mich das unsagbar.
Zumindest den Vorwurf der Frauenfeindlichkeit (den ja viele Leute aus der Darstellung nackter Weiblichkeit ableiten) kann man jedoch ausschließen, da auch männliche Genitalien reichlich durchs Bild schlackern: Wenn unsere Heldin gleich zu Anfang eine begonnene Vergewaltigung beendet wird der Punkt der Penetration prominent ins Bild gesetzt (wodurch die moralische Empörung der Erzählung irgendwie scheinheilig wirkt), Dalkiel selbst trägt auch ein Teil wie ein Pferd mit sich herum (an welchem ständig herumgelutscht wird) und überhaupt erscheint die Hölle hier als Labyrinth aus Reproduktionsorganen. Vermutlich, weil Erwachsenencomic und so.
Das führt uns dann natürlich auch zum zweiten selling point: Der Grad der dargestellten Gewalt ist hoch – verdammt hoch. Jeder Klauenschlag eines Dämons reißt den Getroffenen gleich auseinander dass seine Innereien durch die Gegend fliegen, gehäutete Gesichter, abgerissene Körperteile und aufgespießte Genitalien… alles da, jede Seite strotzt vor Blut und Schmerz und hat einfach nicht, was seinen Härtegrad irgendwie künstlerisch rechtfertigt. Einziger Pluspunkt der Mini-Serie sind die Cover des großartigen Simon Bisley – hätte der die Serie geschrieben und gezeichnet, hätte vielleicht etwas draus werden können.
Aber so ist es einfach nur traurig, dass „Satanika“ also wieder mal das Klischee bestätigt, dass Sex und Gewalt als Ersatz für Inhalt dienen. Dies ist wirklich ein extremer Fall, der den Leser mit Abscheulichkeiten überschüttet und dafür nicht einmal die dünnste Alibistory zu bieten vermag.
(Dirk M. Jürgens)