“Schwarzer Cocktail” von Jonathan Carroll
„Black Cocktail“/“Schwarzer Cocktail“ von Jonathan Carroll (1990)
(dt. Ausgabe/Heyne)
Nachdem mir „Ein Kind am Himmel“ nicht so sehr gefallen hat, wie die vorherigen Romane Jonathan Carrolls bin ich jetzt umso begeisterter darüber, dass ich „Black Cocktail“ wirklich grossartig finde. Die kürzeste Carroll-Geschichte bislang (abgesehen von seinen Kurzgeschichten), eine Novelle, entfaltet auf seinen knapp 100 Seiten die Geschichte Ingram Yorks, Radiomoderator, der seinen Lebensgefährten in einem Erdbeben in Los Angeles verlor und sich nun auf auf Anraten seines Schwagers (Walker Easterling aus „Schlaf in den Flammen“) mit einem Mann namens Michael Billa trifft, zu dem er tatsächlich eine enge, freundschaftliche Beziehung aufbaut. Eines Tages wird Ingram Opfer eines mysterösen Fremden, der ihn zu schikanieren beginnt, und von dem Billa annimt, es könnte ein Junge aus seiner Schulzeit sein, Clinton Deix, der, wie sich herausstellt, immer noch 15 Jahre alt ist. Clinton wiederrum behauptet, Billa habe ihn „eingefroren“ in der Zeit und habe dasselbe mit Ingram vor. Die Geschichte wird kompliziert als die wahre Identität des „Fleischmannes“, dem kichernden Wahnsinnigen, der nicht von dieser Welt zu sein scheint, enthüllt wird. Wohin reisst York, Billa und den „Prinzen von Fingern und Zehen“ der Strudel von Erkenntnissen, und was wir von ihnen übrigbleiben, auf der anderen Seite?
„Schwarzer Cocktail“ ist kurz und knapp und ich finde ihn wirklich großartig. Ein kompaktes und perfektes Beispiel für die „typische“ Jonathan Carrol Geschichte. Zwar bleiben „Land des Lachens“, „Bones of the Moon“ und „Schlaf in den Flammen“ noch immer meine Lieblings-Carrolls, aber „Schwarzer Cocktail“ hat sich seinen World Fantasy Award zweifellos verdient! – Lesen!
Wer sich das Buch kauft, sollte nach Möglichkeit drauf achten, nicht die großartigen Illustrationen von Dave McKean zu verpassen (in meiner Heyne Ausgabe leider nur in Schwarzweiss), die die Geschichte wunderbar unterstreichen und stilistisch sehr an seine ersten, klassischen „Hellblazer“ Cover erinnern. Im Protest gegen die übliche Genreschublade (Heyne verkauft die Geschichte in dieser Auflage als „Science Fiction“) habe ich oben mal „J.Carroll“ als Genre eingeführt. Ich glaub das trifft es in etwa.
Sebastian Kempke