“League of Extraordinary Gentlemen” (2003)
„League of Extraordinary Gentlemen“ oder Was scheren uns die Qualitäten unserer Vorlage?
(2003) von Stephen Norrington
Als der Superschurke „Phantom“ 1899 versucht, einen Weltkrieg zu provozieren, stellt die britische Regierung ein Team bestehend aus Kapitän Nemo, Allan Quartermain, Mina Harker, Dorian Gray, Dr. Jekyll/Mr. Hyde, dem Unsichtbaren und Tom Sawyer zusammen, um ihn aufzuhalten.
Der legendäre Autor Alan Moore, von dem die unsagbar gute und hochintelligente Comicvorlage kommt, kann einem wirklich leid tun – man hat lediglich die Grundidee seines Werkes genommen und daraus ein flaches, uninspiriertes und vor Klischees und Logikfehlern strotzendes Stück Dutzendware gestrickt. Es gibt zweifellos gute Ideen (na gut, eine – die Mitgliedschaft Dorian Grays, der auch unverwundbar ist) aber die schlechten überwiegen.
Fast, als wollten die Amerikaner die Klischees über sich bestätigen, waren ihre Änderungen an der Liga:
1) Es gibt ein Auto.
2) Mit Tom Sawyer ist auch ein Ami im Team.
3) Sawyers „Fähigkeit“ ist schlichtes Ballern.
Dass man auch diesen Charakter nicht originalgetreu dargestellt hat, schlägt dem Fass irgendwie noch die Krone ins Gesicht: Der überdrehte Schwätzer Tom Sawyer ist hier eine mundfaule Dumpfbacke und führt in Standart-Drehbuchwende Nr. 37/b eine Art Vater-Sohn-Beziehung mit Quatermain (dem absolut verschwendeten Sean Connery), der sich (Nr. 61/f) die Schuld am Tod seines echten Sohnes gibt.
Besonders ärgerte mich auch die pseudo-emanzipierte Darstellung von Mina: Ist sie im Comic ein normaler Mensch, der mit Intelligenz und Durchsetzungskraft die Liga leitet, ist sie hier ein Vampir und ein gewöhnliches Mitglied (Anführer ist hier Quatermain). So versteht Hollywood also Gleichberechtigung – Frauen müssen unfreundlich und gewalttätig sein, zu sagen haben sollen sie aber nichts.
Waren die Schurken der Serie die sich bekämpfenden Wissenschaftler Fu Manchu und Moriarty, so hat man hier nur letzteren übernommen, der sich in der ersten Hälfte des Films hinter der (uneindrucksvollen) Maske des Phantoms verbirgt und so absolut uncharismatisch ist, dass der Liga eindeutig ein würdiger Gegenspieler fehlt – für eine Superheldenstory, insbesondere mit so legendärem Cast, ist das Gift.
Wohl um Geld zu sparen und nicht gegen die üblichen Sehgewohnheiten zu verstoßen tritt der Unsichtbare meist geschminkt und damit sichtbar, und Jekyll meist als er selbst auf. Hyde hulkt nur manchmal hervor, ist technisch ganz okay, wirkt aber viel zu menschlich; gegen Ende taucht noch ein zweiter, monströserer „Über-Hyde“ auf, so dass man uns wenigstens einen Monsterfight gönnt.
Am besten fährt mit dem Film wohl, wer den Comic nie gelesen hat, doch auch dann ist er kein Vergnügen, da er vor Klischees, Logiklöcher ohne Ende, platte Charaktere und anderen Ärgerlichkeiten strotzt.
– Beispiel: Das Phantom will Venedig zerstören, mit der riesigen Nautilus fahren unsere Helden weit in die Stadt herein, die daraufhin von einer Explosionswelle getroffen wird. Tom Sawyer springt in das Auto, das er nie gefahren ist und rast los, die Explosion aufzuhalten. Dabei müssen die Ligamitglieder videospielhaft gegen Abertausende von Schergen des Phantoms kämpfen, die dieser in der zusammenbrechenden Stadt postiert hat.
Norringtons Regie, die ja „Blade“ wirklich cool gemacht hatte, glänzt hier auch eher selten. Ab und zu gibt es mal eine schicke Kamerafahrt, aber die Actionszenen sind oftmals langweiliges CGI-Getue, das den Zuschauer einfach nicht erreicht.
Wirklich enttäuschend, wie hier die Chance auf einen wirklich tollen Film vertan wurde. Es wundert mich nicht, dass Alan Moore daraufhin seinen Namen von allen Filmprojekten (auch dem tollen, wenn auch naiven „V wie Vendetta“) zurückgezogen hat. Erstaunlicher hingegen, wie übel der, zwar nicht wirklich gute, aber teils doch ganz charmante „Van Helsing“, der ja eine ähnliche Grundidee hat von vielen Leuten beschimpft wurde. Gegen „LXG“ sieht er nämlich wirklich ganz anständig aus.
(Dirk M. Jürgens)