“Ein Kind am Himmel” von Jonathan Carroll
„A Child across the Sky“/“Ein Kind am Himmel“ von Jonathan Carroll (1989)
(dt. Ausgabe/Suhrkamp)
Jonathan Carrolls Roman ‚A Child across the Sky / Ein Kind am Himmel‘ ist das dritte Buch aus der ‚Rondua‘-Reihe, das ich gelesen habe (nach ‚Knochen des Mondes‘ und ‚Schlaf in den Flammen‘). Auch in diesem Buch finden wir Carrolls Synthese aus sehr lebensnaher Charakterstudie mit plötzlich einschlagendem Realitätsbruch, der uns in die Welt des Psychothrillers und des Horrors führt, und uns zu der Erkenntnis leitet, dass es andere, psychologische Ebenen der Wirklichkeit gibt, die wir durch unser Denken und Tun und durch unsere Entwicklung direkt beeinflussen. Ich mag in seinen Büchern die Idee, dass Träume, und Fantasien und Kunst grausame oder traumhafte Wirklichkeit werden können, abhängig von der inneren, unbewussten Welt der Schöpfer, und dass das was wir durch unseren Einfluss schaffen, wiederum Einfluss auf uns nehmen kann und sein eigenes Leben entwickelt. ‚A Child across the Sky‘ dreht sich um einen Filmregisseur, Weber Gregston (der seinen ersten Auftritt in ‚Bones of the Moon‘ hatte), und seinen langjährigen Freund Phil Strayhorn. Gregston dreht Kunstfilme, höchst erfolgreich, und Strayhorn schreibt Horrorfilme, höchst kommerziell. Strayhorn erschiesst sich und hinterlässt Gregston einige Videokassetten, die ihm eine Aufgabe auftragen, und mit der Erfüllung dieser Aufgaben verändert sich der Inhalt der Kassetten, neue Szenen formen sich, und die sind nicht unbedingt für einen gemütlichen Fernsehabend geeignet.
Also alles in allem ist ‚A Child across the Sky‘ ein wirklich gutes Buch, aber ich muss zugeben, dass ich es nicht anähernd so gern mag wie ‚Land des Lachens‘, ‚Knochen des Mondes‘ oder ‚Schlaf in den Flammen‘, die bis heute meine bisherigen Lieblingsbücher von Jonathan Carroll sind. Das liegt wohl zum grössten Teil an den Charakteren, denn Weber Gregston war in ‚Knochen des Mondes‘ immer ein ziemliches Arschl*ch, Pardon, bevor er sich zum besseren veränderte. Aber Weber wurde mir zwar dann doch sehr sympathisch, allerdings konnte ich mich mit seinen Filmen nicht so anfreunden (schwer nachzuvollziehen), und die Horrorfilme, die sein Kollege drehte, waren (zu meinem Erstaunen), auch schwer nachzuvollziehen. Und das ganze war so wichtig für die Geschichte, dass sie mir zum Teil verschlossen blieb.
Menschen, die noch nie ein Buch Jonathan Carroll gelesen haben, würde ich aus diesen Gründen nicht „Ein Kind am Himmel“ empfehlen, dafür mag ich seine anderen Bücher viel zu gerne.
Sebastian Kempke
Dirk M. Jürgens
29. August 2006 @ 17:54
Unter dem Vorbehalt, mit der ganzen „Rondua“-Sache nicht allzu viel anfangen zu können (klingt in der Theorie toll, hat auch wirklich gute Ansätze, aber Rondua selber ist als Ort einfach zu abstrakt und überladen), kann ich dem Review zustimmen.
Das Buch liest sich (trotz furchtbarer deutscher Übersetzung von Herbert Genzmer) gut, der Anfangssatz ist GENIAL („Eine Stunde bevor er sich erschoß, rief mein bester Freund Philip Strayhorn an, um sich über Daumen zu unterhalten.“), aber das Buch scheitert trotz vieler guter Szenen und Elemente an zwei Dingen:
1.) Werden die Figuren in einer Weise charakterisiert, wie man sie (siehe mein „Security“-Review) sonst von Dean Koontz kennt. Jeder ist der Beste und jeder hat so eine besondere Art, einen besonderern Humor, ein besonderes Talent, dass es den Ich-Erzähler vor Entzücken umhaut – ohne, dass er uns genau erläutert, was mit ihnen ist.
2.) Von Filmen, insbesondere Horrorfilmen, um die es nun einmal geht, scheint Carroll keine Ahnung zu haben. Was wir an Fetzen aus den verschiedenen Werken unserer Helden zu sehen bekommen, passt nicht zusammen und wirkt äußerst reizlos. Des weiteren scheint er zu glauben, dass man jede Szene überall hereinschneiden kann, ohne den Film zu stören. Das ist leider falsch!
Auch die bewegendste, erschreckendste Szene eines Flugzeugabsturzes oder Schlaganfalls, die für sich genommen furchtbar ist, verpufft ihre Wirkung absolut, fügt man sie irgendwo in „Halloween V“ ein.
Wirklich schade. „Land des Lachens“ (was vom Schreiben handelt, wovon Carrol natürlich mehr versteht) bleibt damit der King.