„Aeon Flux“ (2005)
„Aeon Flux“ oder Nichts für Fans der Vorlage
(2005) von Karyn Kusama
Nachdem eine Seuche fast die vollständige Menschheit ausgelöscht hat, leben die letzten Überlebenden seit mehreren Generationen im utopischen Stadtstaat Bregna.
Doch immer wieder verschwinden Bürger, alle Menschen haben merkwürdige „falsche“ Erinnerungen und auch sonst scheint es ein dunkles Geheimnis zu geben, so dass die Untergrundorganisation Monica ihre Agentin Aeon Flux (Charlize Theron, deren rundes Gesicht nicht den Hauch einer Ähnlichkeit mit ihrem gezeichneten Vorbild hat) losschickt, den Vorsitzenden Trevor Godchild (Marton Csokas, auch nicht passender) zu eliminieren, der hinter allem zu stecken scheint.
Zuallererst: Ich bin absoluter Fan der gleichnamigen MTV-Animationsserie, mit welcher der Film bis auf einige Namen jedoch leider nichts zu tun hat, weswegen es sich in den Credits auf „Based on characters created by Peter Chung“ belässt.
Die Handlung ist in der Tat intelligent (das Geheimnis von Bregna ist wirklich originell), hat natürlich die übliche Actionfilm-Unlogik (insbesondere Goodchilds Fähigkeiten immer dort zu sein, wo die Handlung ihn gerade erfordert, übertreffen selbst Michael Myers aus den „Halloween“-Filmen) sieht aber in jedem Fall traumhaft schön aus. Ich bin eh ein Freund überstylter Designs und die gibt es hier zuhauf.
Die Schießereien sind hübsch choreographiert, aber nicht gesteigert brutal, es gibt jede Menge wirklich einfallsreicher technischer Gimmicks (zum Beispiel Aeons doppelseitig benutzbarer Augapfel mit Vergrößerungsglas) und insbesondere Trevors Todesgarten messerscharfer Grashalme hat mir gefallen. Davon abgesehen spielt Johnny Lee Miller (bekannt als Sick Boy aus „Trainspotting“) als Trevors Bruder Oren mit, den ich persönlich zumindest immer wieder gerne sehe.
Sicher kein Jahrhundertfilm, aber sehr ästhetisch und äußerst unterhaltsam.
Als Verfilmung hingegen verfehlt „Aeon Flux“ die Vorlage fast vollständig:
Monica ist in der Serie ein Staat und keine Untergrundorganisation. Aeon ist nicht freundlich, sensibel und normal wie hier, sondern verschroben, verrucht und zwiespältig. Ebenso Trevor, der hier viel zu gut wegkommt, obwohl er in der Vorlage ein ebenfalls ambivalenter (er will tatsächlich das beste für sein Volk), aber eben doch brutaler Diktator ist. Für den Film wurden beide Figuren platt und massenkompatibel übergebügelt und jeglicher Vieldimensionalität beraubt.
Als Fan schmerzte mich natürlich auch das sehr gelungene, aber falsche Design – hätte Aeons Kostüm nicht einfach einen kleinen Streifen Bein zwischen Stiefel und Hose zeigen können, um an ihren SM-Dress anzuspielen? Wieso ist Trevor ein zerfurchter rauer Wissenschaftlertyp statt eines metrosexuellen Muskelprotzes? Und warum zum Teufel hat unsere Heldin nicht die grandiose Frisur der Serie?
Auch Aeons Motivation ist eine vollständig andere. Statt der selbstständigen Agentin im eigenen Auftrag, der oft nur ihren Launen entspringt, ist sie hier zunächst nur eine einfache Befehlsempfängerin, für die das ganze zur persönlichen Mission wird, als man ihr Schwester Una (die in der Serie nur eine Freundin ist) tötet.
Doch vor allem atmet der Film einfach nicht den Geist der Vorlage, die nun einmal bizarr und leicht pervers angehaucht ist – hier ist alles klinisch sauber. Sex ist sanft und liebevoll, die Figuren sind nett und menschlich und als Aeon eine Schusswunde behandelt tut sie das schnell und sachlich, ohne jeden Anflug von Sadomasochismus, der ihren Charakter doch eigentlich so bestimmt. Als Verfilmung daher ein absoluter Versager, da helfen auch einzelne übernommene Details, wie die mit den Wimpern gefangene Fliege, mit der Zunge von Mund zu Mund ausgetauschten Nachrichten oder die Affenfüßige Agentin Scaphandra (die im Film übrigens Sithandra heißt) nichts. Dass übrigens gerade diese eine der wenigen schwarzen Figuren ist, mag man durchaus fragwürdig finden.
Wer die Serie nicht kennt oder beides voneinander getrennt sehen kann, bekommt anderthalb Stunden netter hübscher SF-Action, Puristen und Fanatiker bleiben jedoch besser fern.
Ich träume immer wieder von einer Welt, in der Emmerichs „Godzilla“, die Brosnan-Bond-Filme, „Constantine“ und dieses Werk umsynchronisiert und umretouchiert werden, um gute eigenständige Filme zu sein, statt unsachgemäßer Verfilmungen!
(Dirk M. Jürgens)