„Mord mit Aussicht: Die Venus von Hengasch“ oder Die Abschreiber vom Ersten
Heute begann die dritte Staffel der charmanten ARD-Krimiserie „Mord mit Aussicht“ mit einer Überraschung. Ich beziehe mich nicht auf den Herzinfarkt des Vaters der Heldin, welcher sie zum weiteren Verweilen in dem Kuhdorf zwang, welches sie nun schon seit dreizehn Folgen zu verlassen versucht.
Ich beziehe mich darauf, dass der Kriminalfall, in dem sie zu ermitteln hatte bereits bekannt war und zwar aus „Der Hammer Gottes“, einer von G. K. Chestertons „Father Brown“-Geschichten, die auch Pate stand für den Anfang des Heinz-Rühmann-Films „Das schwarze Schaf“.
Das Opfer in „Die Venus von Hengasch“ wurde mit einer Statue erschlagen vor seinem Haus aufgefunden; der von oben geführte Schlag lässt auf einen außerordentlich großen Täter schließen. Die Haushälterin des Opfer beschreibt einen Mann, welcher als der autistische Sohn desselben identifiziert wird, doch sie selbst ist es, die sich als die Mörderin entpuppt: Sie hat die Statue aus einem Fenster im zweiten Stock auf den unten Stehenden geworfen.
Chestertons „Der Hammer Gottes“ (aus „Father Browns Einfalt“, dem ersten Band der Gesamtausgabe) handelt von einem Mann, der vor der Kirche von einem Hammer erschlagen aufgefunden wird; der von oben geführte Schlag lässt auf einen außerordentlich großen Täter schließen. Der Bruder des Toten hat den kindlich zurückgebliebenen Dorftrottel zur Tatzeit am Tatort gesehen, doch er selbst ist es, der sich als der Mörder entpuppt: Er hat den Hammer vom Kirchturm auf den unten Stehenden geworfen.
Die Details sind unterschiedlich (so benennt die Haushälterin den Autisten, weil er sich nicht verteidigen kann, der Bruder den Dorftrottel, weil er weiß, dass dieser nicht belangt werden würde), so auch die Motive und die konkrete Mordwaffe und bei Chesterton kommt noch ein weiterer Verdächtiger hinzu, aber sowohl die Mordmethode, als auch die falsche Spur mit einem geistig Behinderten, auf den der erst als Zeuge auftretende Mörder deutet, ist praktisch identisch.
Haben wir es hier mit einem Zufall gigantischen Ausmaßes zu tun, hat der ADR-Autor die Geschichte mal gelesen und unbewusst Teile davon wieder verwendet, oder wurde hier dem guten alten Father Brown dreist in den Klingelbeutel gegriffen?
Die Folge ist inzwischen nach Ablauf der üblichen Zeit aud der ARD-Mediathek verschwunden, aber den „Hammer Gottes“ kann man im Original hier lesen:
http://en.wikisource.org/wiki/The_Innocence_of_Father_Brown/The_Hammer_of_God
Ich erinnere mich daran, mal eine „Alarm für Cobra 11“-Folge gesehen zu haben, die ein – sogar recht gelungenes – Remake von John Carpenters Klassiker „Assault – Anschlag bei Nacht“ war. Ist es im deutschen Fernsehen üblich, sich so bei bekannten Vorlagen zu bedienen?
(Dirk M. Jürgens)
comicfreak
31. August 2012 @ 12:35
..fiel mir auch gleich auf, war aber sehr charmant und mit ansonsten keinen Berührungspunkten umgesetzt.
Mein Kulturschock war wesentlich größer, als ich nach Jahren Hui-Buh-Hörens zum ersten Mal „das Gespenst von Canterville“ las
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