Zensur von Kinderbüchern
Ich weiß, es mag ein Fehler sein, in diese Diskussion einzusteigen. Zu leicht bekommt man Erfolg von der falschen Seite, die beklagt, wir würden von einer Minderheitendiktatur tyrannisiert, oder weitere maue Witze darüber macht, was wohl als nächstes politisch korrekt verändert werden mag. Andererseits greift man im Web schließlich jedes bisschen Aufmerksamkeit ab, das man kriegen kann, also warum eine Mördergrube aus meinem Herzen machen?
Da die grundlegenden Positionen klar sein dürften (und schon das Wort „Zensur“ in der Überschrift andeutet, auf welcher Seite ich stehe) will ich mich nun gar nicht weiter zu den Fällen, in denen Worte wie „Neger“ aus Kinderbuchklassikern wie „Pippi Langstrumpf“ oder „Die kleine Hexe“ entfernt wurden auslassen. Stattdessen bringe ich ein Gegenbeispiel, welches mich sehr freute.
Im Carlsen-Verlag erschien in zwei Bänden eine gebundene Gesamtausgabe von Osamu Tezukas Manga-Klassiker „Kimba der weiße Löwe“, der übrigens ein so finsteres Ende nimmt, wie man es trotz des alles andere als fröhlichen Anfangs nicht erwarten würde, aber darum geht es hier nicht. Stattdessen geht es um ein Vorwort, welches Tezuka Productions/Carlsen jedem der Bände voranstellte:
„[…]Seit dieser Manga von Osamu Tezuka verfasst wurde, haben sich die gesellschaftlichen Umstände sehr verändert und einige der verwendete Ausdrücke, die in der damaligen Zeit zum alltäglichen Wortschatz gehörten, mögen heute bei einigen Lesern Anstoß erregen oder politisch unkorrekt erscheinen.
Aber eines sei klargestellt: Dem Werk Tezukas liegt eine humanistische Weltanschauung zu Grunde. Er war ein Mann, der Feindseligkeit und Hass für böse hielt. Jetzt, da wir seine Werke erneut auflegen, ist es unsere Absicht, das ursprüngliche Material werkgetreu wiederzugeben.
Osamu Tezukas Arbeiten werden als kulturelles Erbe Japans angesehen und es ist unser erklärtes Ziel, sein Werk zu bewahren, es an künftige Generationen weiterzugeben und dessen wahre Botschaft Lesern weltweit zugänglich zu machen.“
Ich verstehe, dass es manchen Leuten unbehaglich ist, wenn ihre Kinder Dinge lesen, die nicht mit ihren eigenen Wertevorstellungen übereinstimmen. Aber dann sollen sie diese Dinge entweder vermeiden oder erklären, nicht verlangen, dass sie harmlos umgebogen werden. Es gibt zuweilen Ausgaben mit Fußnoten, in denen derartige Dinge erläutert werden und auch als Elternteil sollte man in der Lage sein, mit seinen Kindern zu sprechen. So lernen sie gleich noch dazu, dass nicht alles Gedruckte ewig und absolut wahr sein muss, was zweifellos eine nützliche Lektion ist. Wegen ein paar „Negersätzen“ ist das Buch nicht mehr moralisch vertretbar? Fein, dann gib es deinen Kindern nicht zu lesen. Kunst ist immer Zeichen ihrer Zeit und wenn sie überholt ist, dann ist sie das eben, aber sollte nicht verfälscht werden, um etwas anderes als das ursprüngliche Werk als „zeitlos“ zu deklarieren.
Ich wünschte mir, die zensierenden Verlage würden ihren Büchern ebenso einen Text wie Carlsen voranstellen, in dem sie dann eben erklären, kein Vertrauen in die Ideologie von Preussler bzw. Lindgren zu haben und ihr Werk zudem als einfache Gebrauchsware zu betrachten, die verändert werden kann, wie immer es kommerziell am sinnvollsten ist.
Aber zu dem offen stehen, was sie durch ihr Handeln im Grunde ausdrücken, wollen sie natürlich nicht.
(Dirk M. Jürgens)